Es gibt sie nur ganz vereinzelt: Die Unternehmen, die in Zeiten der Pandemie keine negativen Folgen verspüren. Apple steigt zum 2-Billionen-Unternehmen auf und verkauft ungeachtet des Corona-Desasters ebenso gut wie vorher, um ein prominentes Beispiel zu nennen. Andere Marken wie Amazon profitieren sogar von der Krise, weil einfach viel mehr Menschen online einkaufen als zuvor.
Der überwältigende Teil der Wirtschaft wird aber durch die Pandemie und ihre Folgen getroffen, nicht wenige gehen nach mehr als einem halben Jahr im Krisen-Zustand auf dem Zahnfleisch. Das betrift auch viele Tech-Unternehmen und darunter auch die Smartphone-Hersteller. Das Geld sitzt einfach gerade nicht mehr so locker, was dazu führt, dass so mancher Smartphone-Kauf in eine unbestimmte Zukunft verschoben wird, ebenso wie alle anderen nicht lebensnotwendigen Anschaffungen.
Weil die Zeiten also so sind wie sie sind, wundert es mich auch nicht, wenn Kollegen Beiträge wie “Adieu HTC und Goodbye Huawei, oder ist es dafür noch zu früh?” oder “Samsung unter Schock: Böse Überraschung deutet auf ein Desaster hin” veröffentlichen. Selbst, wenn die Headlines vielleicht nach bisschen Alarmismus klingen: Zu weit hergeholt sind sie gar nicht mal und es lohnt sich ein Blick auf verschiedene Hersteller und eine Branche, von der man in der Tat annehmen könnte, dass sie in fünf Jahren schon ein deutlich anderes Gesicht haben könnte.
Schaut man sich mal alte Zahlen an, in diesem Fall von Gartner, sehen wir, dass LG und Huawei 2013 noch auf Augenhöhe waren und auch 2014 rangierte Huawei mit 5,6 Prozent Marktanteil sogar noch deutlich hinter Lenovo auf Platz 4, bevor man sich dieses Jahr dann die Smartphone-Krone noch vor Samsung und Apple schnappen konnte. Laut den Analysten von Canalys hat Huawei damit allein im zweiten Quartal 2020 fast zehn Millionen Geräte mehr verkaufen können als vor sieben Jahren noch im ganzen Jahr — und das trotz Corona und trotz Handelskrieg.
Worauf ich hinaus will: Vor sechs, sieben Jahren war Huawei zwar längst im Kommen, aber noch meilenweit davon entfernt, die Spitze zu erklimmen und umgekehrt sind Unternehmen wie LG, HTC und Sony bei den Smartphones nahezu in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Wenn das in relativ kurzer Zeit möglich war: Wieso sollte in den nächsten Jahren nicht das gleiche Spiel mit vertauschten Namen nochmal so laufen?
Wo steht in Stein gemeißelt, dass Samsung und Huawei die Android-Welt dominieren müssen? Um Apple mach ich mir gerade weniger Sorgen, ehrlich gesagt. Allein durch ihr eigenes, komplexes Ökosystem nehmen die Jungs und Mädels aus Cupertino eine Sonderstellung auf dem Markt ein. Aber eine Garantie für irgendeinen Android-Hersteller würde ich niemals geben wollen. Fragt mal nach bei den oben genannten Marken oder bei Nokia und BlackBerry, die einstigen Smartphone-Könige.
Werft ihr einen Blick auf die beiden oben verlinkten Beiträge, erkennt ihr unterschiedliche Ansätze. Denny schreibt bei SmartDroid auch über HTC, aber die Taiwaner nimmt man bei den Smartphones schon jetzt nicht mehr spürbar wahr, kann sie also bereits außen vor lassen in dieser Betrachtung. Was Huawei angeht, so leidet das Unternehmen nicht nur unter der Pandemie (auch, wenn man Smartphone-Weltführer ist, verdankt man diesen Erfolg nur den heimischen Verkäufen – international ging es 27 Prozent runter). Mindestens so schwer wie Corona wiegt für Huawei der Bann der US-Regierung, der den Handelskrieg zwischen Chinesen und den Vereinigten Staaten begleitet.
Ich könnte mir denken, dass Huawei und deren Sympathisanten gespannt auf den November schielen und sich erhoffen, dass dann ein US-Präsident gewählt wird, der diesen Irrweg des Banns schleunigst korrigiert. Aber so leicht ist es nicht: Auch unter Joe Biden ist nicht gesichert, dass die US-Administration die Streitereien mit China beilegt — allein schon, weil es keine reine Republikaner-Denke ist, dass chinesische Unternehmen eine Gefahr für die Sicherheit der USA darstellen.
Dennoch finde ich, dass man aktuell noch keinen Abgesang auf Huawei anstimmen sollte. Allein die heimischen Märkte werden Huawei noch Jahre über Wasser halten. Aber wie gesagt: Auch dieser Erfolg ist nicht in Stein gemeißelt und selbst nach Trump und nach der Pandemie bleiben unendlich viele gute Hersteller aus dem eigenen Land, die alle gierig darauf sind, Huawei ein paar Krümelchen vom Marktanteils-Kuchen abzuluchsen.
Diese Probleme hat man übrigens mit Samsung gemein, was mich zum Beitrag von Inside Digital bringt. Dort blickt man auch auf die Zahlen von Gartner, die den Koreanern bescheinigen, dass man zuletzt satte 27 Prozent weniger Geräte verkaufen konnte als im Vorjahresquartal. Das ist ein Rückgang, der deutlich oberhalb des Schnitts liegt und daher auch nicht allein mit einer Pandemie erklärt werden kann.
Schon oft haben wir darüber spekuliert, dass die Hardware einfach immer besser wird und man daher einfach nicht jedes Jahr ein neues Smartphone benötigt. Vor sieben, acht Jahren sahen wir tatsächlich noch qualitative Quantensprünge im Jahrestakt, aktuell tut man sich eher schwer damit, ein aktuelles Flaggschiff-Phone vom Vorjahres-Modell zu unterscheiden, weil die Verbesserungen nur noch marginal sind.
Es kommen also für die etablierten Hersteller gleich mehrere negative Punkte zusammen: Die Verbesserung der Hardware ist sowohl Segen als auch Fluch, da die Käufer sich damit begnügen können, alle zwei oder sogar nur alle drei Jahre zu einem anderen Gerät zu greifen. Zudem kannibalisieren sich Unternehmen wie Samsung und Huawei (hier auch zusätzlich noch mit der Marke Honor) selbst, weil sie nicht nur High-End-Modelle anbieten, sondern auch deutlich günstigere Handsets verkaufen. Die sind natürlich deutlich schwächer als besagte Premium-Smartphones, sind mittlerweile aber längst gut genug, dass der “Average Joe” für ein Fünftel des Preises eines iPhones einen soliden daily Driver kaufen kann, mit dem er im Netz surft, Instagram, Twitter und Co nutzt, okaye Schnappschüsse machen kann usw.
Nicht zu vergessen ist die große Konkurrenz, die im Falle Huawei vor allem aus dem eigenen Land kommt: OPPO, Vivo und viele, viele mehr drängen auch zunehmend mehr auf die europäischen Märkte und das mit optisch ansprechenden und technisch bärenstark ausgestatteten Devices. Als Sahnehäubchen kommen für Huawei derzeit noch die Knüppel hinzu, die dem Unternehmen aus den USA zwischen die Beine geworfen werden und die dafür sorgen werden, dass die Verkäufe in Europa ohne vorinstallierte Google-Dienste signifikant einbrechen werden.
Die Qualität der Hardware scheint hierbei übrigens fast keine Rolle zu spielen. Schließlich haben wir auch stets wirklich schöne und technisch gelungene Smartphones von HTC, LG und Sony präsentiert bekommen, die aus unerfindlichen Gründen dennoch oft wie Blei in den Regalen lagen. Vielleicht ist es einfach der natürliche Weg, dass sich immer mehr Hersteller etablieren und somit immer weniger Unternehmen hohe Marktanteile einsacken.
Vielleicht schaffen es aber auch gerade Huawei und Samsung, sich — eventuell mit ihren Foldables — neu zu erfinden. Gerade Samsung hat das in seiner Unternehmensgeschichte mehrfach wieder hingebogen und dabei die Stoßrichtung des Konzerns manches mal verändert. Persönlich denke ich, dass speziell diese beiden Namen auch in zwei, drei Jahren eine entscheidende Rolle am Smartphone-Markt spielen werden — aber darüber hinaus würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen wollen, ehrlich gesagt.
Müsste ich mich mit Blick auf die Frage aus der Überschrift jetzt festlegen, welches der beiden großen Unternehmen als nächstes ins Straucheln geraten wird, ich würde mich damit schwer tun. Ändern sich aber die Vorzeichen im Handelskrieg nicht in absehbarer Zeit, nahen definitiv schwierige Zeiten für Huawei, befürchte ich.